2. Geologischer Abriss des Sudan

2.1 Krustenentwicklung in Nordostafrika

In NE-Afrika lassen sich zwei lithofazielle-großtektonische Einheiten unterscheiden: der Arabisch-Nubische-Schild und der Nil-Kraton, der auch als Ostsahara-Kraton bezeichnet wird.

Die Entwicklung des Nil-Kratons, der hauptsächlich aus Migmatiten und Gneisen besteht, begann wahrscheinlich im späten Archaikum bzw. im frühen Proterozoikum (HARRIS et al. 1984). Mit Sicherheit konnte bislang jedoch nur für den Uweinat-Block im Dreiländereck Sudan-Ägypten-Libyen (KLERKX 1980), im Darfur-Dom (Tschad) (B.R.G.M. 1983) und im Kongo-Kraton (SW-Sudan/N-Uganda) (VAIL 1988) archaische Gesteine nachgewiesen werden.

Im frühen Proterozoikum kam es schließlich zur Hauptphase der Krustenentwicklung, die wahrscheinlich mit der Eburnian-Orogenese (2000 Ma) in Zusammenhang steht. Auch die später entstandenen Gesteine dürften größtenteils aus dem frühproterozoischen Krustenmaterial hervorgegangen sein. Nach HARMS (1989) fand ab dem frühen Proterozoikum ein Krustenwachstum von Westen nach Osten statt.

Während des mittleren Proterozoikums lassen sich keine krustenbildende Prozesse im nord-afrikanischen Raum nachweisen.

Die Pan-Afrikanische Orogenese (950 - 550 Ma) (SCHANDELMEIER et. al. 1993), die ein überregionales "tektonisch-thermales Ereignis" darstellt (KENNEDY 1964, VAIL 1988), führte zu einer intensiven Überprägung der älteren Gesteine des Nil-Kratons.

 

Hochgradige Metamorphosen (~700 Ma) dokumentieren deren Hauptphasen, während zahlreiche spättektonischen Granitintrusionen (~580 Ma) das Ende der Orogenese anzeigen. . Im Osten kam es im frühen Pan-Afrikan zur Kollisionen intraozeanischer Inselbögen, bei denen ozeanische Kruste subzudiert wurde. Die damit einhergehende Akkretion von Mikroplatten sowie die Kollision mehrerer Inselbögen zwischen dem späten Proterozoikum und dem frühen Kambrium leiteten die Konsolidierung des Arabisch-Nubischen-Schildes ein und führte zur Angliederung an den älteren, im Westen gelegenen Nil-Kraton (SCHANDELMEIER et al. 1990). Die Kollision bewirkte neben einer Krustenverdickung eine umfassende Metamorphisierung, Migmatisierung und z.T. Mylonitisierung (Südägypten) des Grundgebirges. Nach dem Kompressionsereignis folgte eine Dehnungsphase der Lithosphäre bzw. eine Hebung von Blöcken, die beispielsweise in Südägypten mit einer Anatexis der tieferen Kruste verbunden war (HARMS 1989).

Das Modell der Mikroplattenakkretion (STOESER & CAMP 1985, VAIL 1985) wird durch das Auftreten von Ophiolithen in Form langgestreckter Suturzonenen gestützt, wie sie in Ägypten, Sudan, Äthiopien und Saudi-Arabien vorzufinden sind (Abb. 5). ein Beispiel hierfür ist die Nakasib-Sutur in den Red Sea Hills, deren Entwicklung im Zeitraum zwischen 810 Ma und 760 Ma stattfand (SCHANDELMEIER et.al. 1994 a).

Abb. 5: Geologische Karte des zentralen Nubischen Schildes und westlichen Vorlands (aus SCHANDELMEIER et.al. 1994 b).

 

Die bisherige Vorstellung eines stabilen, alten Kratons im Westen und des Arabisch-Nubischen Schildes im Osten, deren gemeinsame Grenze ungefähr entlang des Nils verlief und sich über die östlichen Bereiche der Nuba-Berge erstreckte, muß nach SCHANDELMEIER et al. (1990) jedoch revidiert werden. Grund dafür ist die Entdeckung und nähere Untersuchung des Jebel-Rahib-Faltengürtels im NW-Sudan, der einen spätproterozoischen, tektonisierten Ophiolith-Komplex darstellt. Strukturelle Untersuchungen deuten auf kontinentales Rifting hin, dessen weitere Entwicklung nach Erreichen eines proto-ozeanischen Stadiums abgebrochen wurde.

Die kürzliche Entdeckung eines weiteren Ophiolith-Gürtesl, die Atmur-Delgo-Sutur (SCHANDELMEIER et.al. 1994b), welche sich vom westlichen Rand des Arabisch-Nubischen Schildes zum Nil und in Gebiete erstreckt, die bisher als Teil des Nil-Kratons im Jungproterozoikum desintegriert waren und sich erst gegen Ende des Proterozoikums bzw. im frühen Kambrium konsolidierten. Eine Verlängerung der Atmur-Delgo-Sutur zu dem ca. 500 km entfernten Jebel-Rahib-Faltengürtel gilt als wahrscheinlich, ließ sich bislang jedoch noch nicht nachweisen.

Seismische und gravimetrische Untersuchungen haben gezeigt, daß im Sudan ein komplexes Riftsystem sowie damit verbundene zahlreiche Sedimentbecken existieren, deren strukturelle Orientierung in etwa einer NW-SE-Richtung entsprechen (WYCISK et al. 1990). Typische Beispiele sind das Südsudan-Rift (Muglad-Sudd-Rift), das Weiße Nil-Rift und das Blaue Nil-Rift (BROWNE et al. 1985). Auch das kleinere Gedaref-Rawashada-Becken im Ostsudan, das mit Sedimenten und Vulkaniten verfüllt ist, zeigt diese Orientierung (vgl. Kap. 4.2) (OMER 1983b, MEUNIER et al. 1985).

Die an Beckenstrukturen geknüpften Sedimentakkumulationen im Sudan sind, zumindest im großräumigen Maßstab, entscheidend durch epirogene oder bruchtektonische Bewegungen kontrolliert worden (KLITZSCH & WYCISK 1987). Durch nachfolgende, großtektonische Prozesse sind die hierdurch erzeugten Strukturmuster oftmals mit einer Reaktivierung älterer Störungszonen verbunden. Nach WYCISK et al. (1990) ist ein Zusammenhang zwischen den riftgebundenen Sedimentzyklen des Oberjura bzw. Unterkreide, der Oberkreide und des Tertiärs und der Öffnung des Indischen Ozeans, des Atlantiks und des Roten Meeres anzunehmen.