A S I E N

KIRGISTAN /KASACHSTAN/ CHINA

 

Der Tienschan

Der Tienschan ist ein Gebirgssystem in Zentralasien, das sich über mehr als 2000 km in Ost-West-Richtung erstreckt. Der Tienschan bildet die natürliche Grenze zwischen den Steppen Kasachstans und der Wüste Taklamakan in chinesischen Tarimbecken.



Im nördlichen Tienschan bei der kasachischen Stadt Almaty dominieren Granite, die in einen oberkarbonischen Inselbogen intrudierten. (Foto: Dr. T. Voigt).

Das Gebirge weist keinen einheitlichen Bau auf, sondern besteht aus schmalen, bis zu 7000 m hohen Bergketten, die durch steppenartige Hochebenen und Becken getrennt werden. Die tiefste Senke ist mit Wasser gefüllt und beherbergt den 700 m tiefen und 200 km breiten Issykkul.

Im Gegensatz zu den meisten Gebirgen der Erde (z. B. Alpen, Himalaya, Anden), die Plattengrenzen markieren und auf Subduktions- oder Kolissionsprozesse zurückzuführen sind, erhebt sich der Tienschan weitab von jedem aktiven Plattenrand. Nur im Osten, wo sich der Sporn von Indien in den asiatischen Kontinent bohrt, grenzen die Ketten des Tienschan direkt an den Pamir, der hier die aktive Plattengrenze markiert. Der Tienschan ist deshalb der Prototyp eines Intraplatten-Orogens. Er gleicht damit bezüglich seiner Entstehung einigen deutschen Mittelgebirgen (z. B. Harz, Bayerischer Wald, Thüringer Wald).

Die Gesteinseinheiten, die den Tienschan aufbauen, wurden bereits im Paläozoikum abgelagert und nur wenig später deformiert. Es handelt sich dabei vor allem um Sedimente, die am passiven Rand eines großen Kontinents gebildet wurden. Neben Sandsteinen und Tonsteinen, die jetzt als Quarzite und Schiefer vorliegen, fallen vor allem sehr mächtige Kalke und Marmore auf, deren Fossilinhalt sie als ehemalige tropische Riffe ausweist, die vor 420 Mill. Jahren (Silur) den Rand Kasachstanias begleiteten.




Der Siebentausender Khan Tengri im Zentralen Tienschan besteht fast vollständig aus silurischem Marmor.
(Foto: Dr. T. Voigt).


Die Gesteinskomplexe wurden überwiegend im Karbon gefaltet, in Decken übereinandergeschoben und metamorphisiert. Im Süden des Tienschan erfolgte die Faltung bereits eher. Diese Tatsache und abweichende Entwicklung der Sedimentfolge am Südrand des Tienschan beweist, dass das Tarimbecken von einem Krustenstück abweichender Entwicklung, einem sogenannten Mikrokontinent unterlagert wird, der im Laufe des Karbons mit Kasachstania kollidierte. Die Nahtzone wird noch heute durch Reste des ehemaligen Ozeanbodens (Ophiolithe) markiert.



Der Charyn-Canyon im Vorland des nördlichen Tienschan schließt eine Überschiebung devonischer Vulkanite auf tertiäre Sedimente auf, die auch heute noch aktiv ist. (Foto: Dr. T. Voigt).


Bei der Subduktion des Ozeans setzte intensiver Vulkanismus ein, der vor etwa 300 Mill. Jahren zu einer eindrucksvollen Gebirgslandschaft führte, die man vielleicht am ehesten mit den heutigen südamerikanischen Anden vergleichen kann. Danach begann eine Zeit tektonischer Ruhe, die erst vor etwa 8 Mill. Jahren beendet wurde. Die Annährung und nachfolgende Kolission des indischen Subkontinents mit Asien verursachte eine starke Krustenverkürzung. Die kinetische Energie Indiens wurde in Verformung umgesetzt: Überschiebungen, Blattverschiebungen und Gräben, die sich in der Richtung der geringsten Spannung öffnen, kennzeichnen den gesamten asiatischen Raum nördlich des Himalaya bis zum Baikalsee. Die noch anhaltende Krustenverkürzung äußert sich in sehr starken Erdbeben und einer kontinuierlichen Hebung der Tienschan-Ketten.

Autor: Dr. Thomas Voigt, Institut für Geowissenschaften, Universität Jena, Burgweg 11, 07749 Jena