Großbritannien

Greenwich - wo die Zeit zu Hause ist


Das Königliche Oberservatorium von Greenwich mit dem astronomischen Observatorium (links) und dem Zeit- Ball auf dem Flamsteed-Haus (rechts) (Foto: M. Huch)

Als seefahrende Händler bewegten sich die Phönizier im Mittelmeer vor allem in Ost-West-Richtung - sie bewegten sich also mehr oder weniger entlang eines Breitengrades. Dessen Position ist über den Stand der Sonne, des Mondes und des Polarsterns zu bestimmen. Die Seefahrer und Händler ab dem 16. Jahrhundert, die über mehrere Breitengrade hinweg unterwegs waren, hatten das Problem, ihre genaue Position auch über den Längengrad bestimmen zu müssen. Die Bestimmung des Längengrades durch astronomische Berechnungen ist aber nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Deshalb setzte Königin Anne am 8. Juli 1714 einen Preis von 20.000 Pfund aus, um eine Methode zu finden, die den Längengrad mit einer Genauigkeit von einem halben Grad auf dem Großkreis bestimmen kann.

 

Astronomie oder Zeitmessung?

Da der Breitengrad astronomisch bestimmt werden kann, sollte dies auch für den Längengrad zutreffen. Das war jedenfalls die Überzeugung der Astronomen des 16. und 17. Jahrhunderts. Selbst Isaac Newton hielt eine astronomische Bestimmung zwar für möglich, aber schwierig durchzuführen. Er empfahl die Bestimmung über Zeitmessung, auch wenn zur damaligen Zeit die Probleme mit der Bewegung des Schiffs, der atmosphärischen Verändeungen durch Hitze und Kälte, Trockenheit und Nässe sowie die Unterschiede in der Gravitation an den verschiedenen Längengraden riesig waren. Am Königlichen Observatorium Greenwich, mit dessen Einrichtung durch König Charles II. bereits 1675 begonnen wurde, sollte dennoch alles versucht werden, um eine astronomische Bestimmung zu finden.


Der Zeit-Ball auf dem Flamsteed-Haus
(Foto: M. Huch)

Erster Königlicher Astronom wurde der junge John Flamsteed. Der rote Ball auf dem Flamsteed-Haus war weltweit eines der ersten Zeitsignale für die Öffentlichkeit. Er wurde 1833 zum ersten Mal eingesetzt und gibt auch heute noch täglich um 13:00 Uhr ein akustisches Signal. Um 12:55 Uhr wird der Ball auf die Hälfte des Mastes gehoben, um 12:58 Uhr erreicht er das Ende des Mastes. Genau um 13:00 Uhr fällt er wieder nach unten.

 

An dem „Wettrennen” um den von Königin Anne 1714 ausgeschriebenen Preis beteiligte sich auch der Zimmermann und Uhrmacher John Harrison. Im Laufe von 44 Jahren schuf er vier Zeitmesser, die als H-1, H-2, H-3 und H-4 berühmt wurden. Diese Zeit war geprägt durch den Streit zwischen Astronomen und Uhrmachern darüber, welcher Weg der sinnvollste ist. Diesen Prozess hat Dava Sobel in ihrem Buch „Longitude” (Längengrad) anschaulich beschrieben (s.u.). Letztendlich „siegte” die Zeitmessung.

Die vier Harrison-Zeitmesser: H-1 wurde zwischen 1730 und 1735 gebaut und justiert; H-2 wurde zwischen 1736 und 1739 gebaut und justiert; die Arbeit an H-3 begann 1740 und es dauerte fast 19 Jahre, sie zu bauen und zu justieren; 1758 wurde H-4 fertig und erhielt den 1714 ausgeschriebenen Preis des Längengrad-Komitees (Quelle: National Maritime Museum London, 2005)






Erste öffentliche Uhr, die Greenwich-Zeit anzeigt (Foto: M. Huch)

Die genaue Zeiterfassung wurde aber auch an Land immer wichtiger, insbesondere im Zusammenhang mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes und der Kommunikationsmöglichkeiten über Radio. Dazu mussten die Uhren synchronisiert werden können. Das geschah ab 1833 für London mit dem Zeit-Ball von Greenwich (Bild 2). Von 1852 bis 1893 gab die Shepherd Master Clock das Zeitsignal für „Greenwich Mean Time” (GMT) über Radio innerhalb Großbritanniens. Die Uhr am Eingang zum Observatorium war die erste, die Greenwich-Zeit für die Öffentlichkeit anzeigte. Heute wird die genaue Zeit durch die Atomuhr angezeigt, über die alle Funkempfangsstationen bedient werden.

 



Der Null-Meridian

1850 war von Sir George Biddell Airy, dem 7. Königlichen Astronomen, das große Teleskop „Transit Circle” gebaut worden. Es steht genau auf dem 0°-Meridian. In der Internationalen Meridian-Konferenz am 1. Oktober 1884 in Washington DC (USA) wurde dieser 0°-Meridian als der „Prime Meridian” bestimmt. Bereits vorher hatten die USA Greenwich als Basis für ihr eigenes Zeitzonensystem gewählt. Außerdem waren am Ende des 19. Jahrhunderts 72 Prozent des Welthandels von Seekarten abhängig, die auf dem Prime Meridian von Greenwich basierten. Auch wenn sich die Erdplatten langsam bewegen, bewegt sich der Greenwich-Null-Meridian mit ihnen und kann so immer exakt bestimmt werden.



Der Null-Meridian und die Atomuhr (links), auf der z.B. GPS (Global Positioning System) beruht
(Foto: M. Huch).

Entlang des Meridians wurden u.a. heller Cornish-Granit, blaugrauer Guernsey-Diorit und rosa- farbener Leistershire-Porphyr verarbeitet
(Foto: M. Huch).

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Geologie unter Greenwich

Das Greenwich-Observatorium liegt auf einem Hügel oberhalb der Themse. Dieser Geländesprung wird durch die Greenwich-Störung verursacht, die im Tertiär im Zuge der Auffaltung der Alpen entstand. Sie hebt feinen Kalkstein aus der Oberkreide (85 Millionen Jahre) näher an die Erdoberfläche. Darüber liegen sandige und tonige Sedimente aus dem Tertiär (60-59 Millionen Jahre), die von eiszeitlichen Sanden und Kiesen bedeckt sind. Der Greenwich- Hügel besteht in seinem oberen Teil aus sandigen Sedimenten, in denen bis zu Taubeneier große gut gerundete Flintsteine enthalten sind. Diese Sedimente sind 58 Millionen Jahre alt. Hier fehlen die eiszeitlichen Sande und Kiese.


Wie kommt man hin?

Mit dem Boot von Westminster Pier (Big Ben), ca. 1 Stunde, bis Greenwich Pier. Mit Southeastern Rail (Docklands Light Railway) über London Brigde bis Greenwich. Mit Southeastern Rail (Docklands Light Railway) über Canary Wharf bis Cutty Sark for Maritime Greenwich. Wenn schon in London, dann unbedingt auch ins Natural History Museum


Wenn schon in London, dann unbedingt auch ins Natural History Museum
www.nhm.ac.uk
Underground-Station South Kensington - zu erreichen mit District, Circle und Piccadilly Line.


(Foto: M. Huch).

 

Quellen:

www.nmm.ac.uk (National Maritime Museum mit angeschlossenen Einrichtungen, einschl. Royal Observatory Greenwich)

www.geologyshop.com (Bücher, Karten und Broschüren des Britisch Geological Survey)

Eric Robinson und Martin Litherland (1999) Greenwich - Holiday Geology Guide. British Geological Survey Dava Sobel (2008) Longitude. The True Story of a Lone Genius Who Solved the Greatest Scientifi c Problem of His Time. HarperPerennial London

Dava Sobel und Matthias Fienbork (2005) Längengrad: Die wahre Geschichte eines einsamen Genies, welches das größte wissenschaftliche Problem seiner Zeit löste. Berliner Taschenbuch Verlag

Dava Sobell, William J.H. Andrewes, Matthias Fienbork und Dirk Muelder (2000) Längengrad. Die illustrierte Ausgabe: Die wahre Geschichte eines einsamen Genies, welches das größte wissenschaftliche Problem seiner Zeit löste. Berlin Verlag

Zusammenstellung und Text:

Monika Huch, geoskript Agentur für Geowissenschaften + Öffentlichkeit 08.04.2010

Webdesign:
wipki-multimedia

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