3.1.3 Geochemie

Mit Hilfe der geochemischen Analytik lassen sich Verwitterungsprodukte näher charakterisieren und es können Einblicke in die spezifischen Prozesse, die im Verwitterungsmilieu stattfinden, gewonnen werden. Im Vordergrund der Untersuchungen standen folgende Schwerpunkte:
- Stöchiometrische Mineralberechnung auf der Grundlage der chemischen Gehalte.
- Unterstützung der röntgendiffraktometrischen Phasenanalyse, insbesondere bei Mischkristallen.
- Klärung der Elementbeziehungen untereinander.
- Beziehungen zwischen Verwitterungsprodukten und Ausgangsgesteinen.
- Verwitterungsbedingte An- und Abreicherungsprozesse.

Hauptelemente

Insgesamt wurden 130 Gesteinsproben vom Jebel Tawiga mit der Röntgenfluoreszenzanalyse untersucht (Tab. 5). Auffällig ist das niedrige Verhältnis der Durchschnittsgehalte von SiO2:Al2O3 mit 1,09, das dem theoretischen Verhältnis reinen Kaolinits mit ca. 1,1 sehr nahe kommt. Dies ist einerseits auf die geringe Anzahl quarzführender Proben zurückzuführen und andererseits durch die Existenz von Böhmit und Gibbsit bedingt. Der hohe Maximalgehalt von 51,38% Al2O3 entspricht einem berechneten Gehalt von 63,4% Kaolinit und 30,7% Böhmit. Der durchschnittliche und der maximale Gehalt an Fe2O3 spiegelt den hohen Anteil an Hämatit im Gestein wider und erklärt u.a. die Spannbreite der anderen Hauptelemente. Die ebenfalls hohen TiO2-Gehalte, die mehr als 18% erreichen, liegen hauptsächlich in Form von Anatas und Rutil vor und zeugen, ebenso wie die hohen Aluminiumgehalte, von einer Residualanreicherung oder sogar Neubildung infolge intensiver Verwitterung. Dementsprechend sind auch die Konzentrationen an Alkalien und Erdalkalien gering, da diese in den Verwitterungslösungen weitgehend abgeführt wurden.

n = 130 arithm. Mittel
Masse-%
Median Masse-%
Stand.- Abw. Minimum Masse-% Maximum
Masse-%
SiO2
35,96
39,32
9,82
0,96
56,07
Al2O3
32,88
35,62
8,89
2,59
51,38
Fe2O3
15,24
4,93
18,77
0,33
83,59
TiO2
2,57
2,17
2,01
0,53
18,22
P2O5
0,38
0,24
0,43
0,04
3,39
CaO
0,25
0,17
0,25
0,04
2,05
MgO
0,09
0,08
0,08
0,02
0,75
Na2O
0,05
< 0,01
0,11
< 0,01
0,52
K2O
0,04
< 0,01
0,08
< 0,01
0,59
SO3
0,04
< 0,01
0,05
< 0,01
0,36
Glühverlust
12,33
13,10
2,10
5,29
15,38
Summe
100,14
100,17
0,77
98,50
101,48

Tab. 5: Hauptelemente der saprolithisch-lateritischen Verwitterungskruste vom J. Tawiga.

In der Abb. 22 sind die statistischen Kennwerte für die Hauptelemente in Form eines Boxplot ("Box-and-whisker"-Plot) dargestellt, der eine Gesamteinschätzung über die Symmetrie, den Median und die Variabilität der Verteilungen ermöglicht. Ausreißer und Extremwerte sind aus Darstellungsgründen nicht mitaufgeführt.

Abb. 22: Boxplot für die Hauptelemente der Saprolithe und Laterite vom Jebel Tawiga (n=130).

 

Im Dreistoffdiagramm SiO2, Al2O3 und Fe2O3 (Abb. 23) markiert die gestrichelte Linie den theoretischen Gehalt von 39,5% Al2O3 für reinen Kaolinit. Die Proben unterhalb dieser Linie sind durch die Existenz freier Aluminiumphasen gekennzeichnet und enthalten dementsprechend Bauxitminerale und/oder Minerale der Crandallit-Gruppe. Das obere Feld repräsentiert diejenigen Proben, deren Hauptmineralkomponenten aus Kaolinit, Hämatit und Quarz bestehen.

 

Abb. 23: Dreistoffdiagramm für Saprolithe und Laterite vom Jebel Tawiga (n = 133).

Das durchschnittliche Verhältnis SiO2 : (Al2O3 + Fe2O3) für quarzfreie Proben (n = 120) beträgt 0,78. Aufgrund dieses Kennwertes können die Verwitterungsprodukte im Sinne von TARDY (1992) als Laterite bezeichnet werden.

Spurenelemente

Das Spurenelementspektrum weist, besonders bei den Maximalgehalten, hohe Konzentrationen an Ba, Sr, Cr, Ni, Mn und V auf (Tab. 6, Abb. 24). Ba und Sr sind den Mineralphasen Gorceixit und Goyazit zuzuordnen (vgl. Kap. 3.1.3.4). Erhöhte Konzentrationen an Cr, Ni, Mn und V sind nach SCHELLMANN (1986) u.a. indikativ für basische bis ultrabasische Ausgangsgesteine und bestätigen hier die Geländebefunde. Die hohen Mangangehalte sind mit Fe2O3-reichen Proben korrelierbar.

n = 130 arithm. Mittel
ppm
Median ppm Stand.- Abw. Minimum ppm Maximum
ppm
As
24
13
48,69
< 1
365
Ba
685
298
1291,05
14
8231
Ce
170
126
168,65
< 1
814
Co
29
12
49,93
< 1
414
Cr
396
291
403,89
9
3099
Cu
116
81
120,16
< 1
734
Ga
30
31
15,98
< 1
73
La
76
27
90,21
< 1
317
Mn
352
96
1039,21
6
7797
Mo
3
< 1
17,80
< 1
184
Nb
24
13
31,76
2
201
Nd
60
43
57,25
< 1
325
Ni
140
98
116,99
5
787
Pb
38
20
54,34
< 1
380
Pr
10
7
10,12
< 1
43
Rb
5
3
5,11
< 1
28
Sc
50
41
35,59
9
276
Sm
10
8
7,90
< 1
39
Sr
562
229
1022,56
13
8710
Th
16
17
10,65
< 1
56
U
6
5
5,63
< 1
32
V
481
368
397,68
47
2777
Y
79
52
80,63
7
384
Zn
111
72
200,98
10
2153
Zr
265
204
197,87
25
1204

Tab. 6: Spurenelemente der lateritisch-saprolithischen Verwitterungskruste vom Jebel Tawiga. Boxplot

 

Abb. 24: Boxplot für die Spurenelemente der Saprolithe und Laterite vom Jebel Tawiga (n=130).

In der Abb. 25 werden die Medianwerte sämtlicher Haupt- und Spurenelemente mit denen des basaltischen Ausgangsgesteins verglichen. Die Eisen- und Mangangehalte der Saprolithe und Laterite erscheinen hierbei relativ stark abgereichert. Im Untersuchungsgebiet existieren jedoch auch Gesteine, die sich überwiegend aus Hämatit und zum Teil aus Goethit zusammensetzen. Die hohen Fe-Gehalte dieser Proben sind neben einer Residualanreicherung wahrscheinlich auch auf migrierende Lösungen zurückzuführen. Statistisch sind diese Proben jedoch als Ausreißer zu betrachten und wurden in die Betrachtung nicht miteinbezogen. Das gleiche gilt für Mn-reiche Proben.

Bei den Spurenelementen zeigen As, Ba, Ce, Nb, Nd und Pb die höchsten Anreicherungsfaktoren, was zum Teil durch Aluminiumphosphate (APS-Minerale) bedingt ist. Auch die für basische Gesteine typischen Elemente Cr, Ni und V sind gegenüber den Basalten angereichert. Abgereichert hingegen sind vor allem Co, Cu und Rb.

Der Vergleich zwischen den lateritischen Gesteinen des Jebel Tawiga und den Durchschnittswerten von 51 basaltderivaten Lateritproben (SCHELLMANN 1986) (Abb. 26) zeigt, daß bei den Hauptelementen der Tawiga-Proben Si, Al und P etwas höhere Anreicherungsfaktoren besitzen, während Fe, Ti und besonders die Alkalien und Erdalkalien vergleichsweise geringere Konzentrationen aufweisen. APS-Minerale wie Gorceixit, Florencit und Goyazit sind hauptsächlich für die erhöhten Spurenelemente Ba, Ce und Sr, (Pb?) verantwortlich. Die Konzentrationen an Cr, Ni, untergeordnet auch Sc, V, Zn und Zr sind den Durchschnittswerten der basaltderivaten Laterite recht ähnlich, was wiederum belegt, daß die Verwitterungsprodukte vom Jebel Tawiga überwiegend aus Basalten entstanden sind.

Abb. 25: Anreicherungsfaktoren der Haupt- und Spurenelemente für Saprolithe und Laterite
(n=130) gegenüber dem basaltischen Ausgangsgestein (Basislinie 1, n=4).

 

Abb. 26: Vergleich der Haupt- und Spurenelemente für Saprolithe und Laterite vom Jebel Tawiga
(n=130) gegenüber basaltderivaten Lateriten (Basislinie 1, n=51) nach Werten von SCHELLMANN (1986).

 

Für die Klassifikation alterierter magmatischer Gesteine wurde von HALLBERG (1984) ein Diagramm entwickelt, durch das sich unterschiedliche Ausgangsgesteinstypen anhand der Zirkonium- und Titanverhältnisse differenzieren lassen (Abb. 27). Tendenziell besitzen basische gegenüber sauren Gesteinen höhere Titangehalte, während das Zirkonium hauptsächlich in sauren Gesteinen vorherrscht. Bei der Alteration eines Gesteins reichern sich die beiden "inerten" Elemente in einem nahezu konstanten Verhältnis an, was durch eine meist sehr gute Korrelation belegt ist. Demzufolge kann das Zr:Ti-Verhältnis bei Verwitterungssprodukten für die Rekonstruktion des jeweiligen Ausgangsgesteins verwendet werden.

Abb. 27: Zr:Ti-Diagramm nach HALLBERG (1984) für die Tawiga-Laterite.

Die lateritischen Gesteine vom Jebel Tawiga fallen danach überwiegend in das Basalt- und Andesitfeld. Das Diagramm bestätigt damit den Geländebefund, wonach vorwiegend metabasaltische Ausgangsgesteine vorliegen. Die Proben im Andesitfeld lassen sich als Verwitterungsprodukte mit metapelitischem Ausgangsgestein zuordnen. Umgekehrt wird die Gültigkeit der Hallberg-Methode für Verwitterungs-Alterationsprozesse aufgezeigt. An einer Lokalität (Probe 2000-2002) ließen sich bereits makroskopisch deutliche Unterschiede im Vergleich zu den umgebenden Verwitterungsprodukten feststellen. Die entsprechenden Proben plotten im Diagramm ins Dazitfeld. Demnach dürfte es sich hier um ein saures, granitoides Ausgangsgestein handeln, wie es u.a. im nördlichen Jebel Rahib aufgeschlossen ist.

Für die Rekonstruktion der Ausgangsgesteine eignet sich ebenfalls das Diagramm von FLOYD & WINCHESTER (1978), das ursprünglich für die chemische Klassifikation vulkanischer Tuffe entwickelt wurde und die Verhältnisse Zr:TiO2 und Nb:Y zugrundelegt (Abb. 28). Die meisten Proben werden auch hier wiederum dem basaltischen und andesitischen Feld zugeordnet. Die "dazitischen" Proben aus dem Hallberg-Diagramm hingegen werden als Trachyte klassifiziert. Der Grund hierfür liegt in einer verhältnismäßig stärkeren Anreicherung des Niobs gegenüber dem Yttrium während der Verwitterung (VALETON & BEIßNER 1986, SCHELLMANN 1986). Demzufolge müssen sämtliche Werte im Diagramm zu niedrigeren Nb/Y-Verhältnissen verschoben werden, wodurch eine bessere Übereinstimmung mit dem Hallberg-Diagramm erreicht wird.

Abb. 28: Zr/TiO2 : Nb/Y - Diagramm nach FLOYD & WINCHESTER (1978) für die Tawiga-Laterite.

Eine weitere Möglichkeit Ausgangsgesteine lateritischer Verwitterungsprodukte zu klassifizieren, ist die Multiple Diskriminanzanalyse (MDA). Die Effektivität dieser Methode wurde zuletzt von SIAD (1994) am Beispiel nigerianischer Verwitterungsprodukte über Seltenmetall-mineralisierten Pegmatiten und anderen Gesteinen aufgezeigt.

Um die MDA für die Tawiga-Laterite durchführen zu können, wurden zunächst diejenigen lateritische Testproben ausgewählt, die nach dem Geländebefund mit Sicherheit a) über metabasaltischen und b) über metapelitischen Ausgangsgesteinen entwickelt sind. Eine dritte Gruppe, deren Verwitterungsprodukte sich durch hohe Zr:Ti-Verhältnisse auszeichnen und sich auch makroskopisch von den anderen Lateriten unterscheiden, wurde als Granitoid-Gruppe definiert. Mit 32 Testproben aus drei Gesteinsgruppen wurde die MDA durchgeführt. Im Zuge der Analyse wurden Variablen entfernt, da sie nur geringen Einfluß auf die Trennfuktion haben (BACKHAUS et al. 1990). Trotz der Reduzierung auf nur sieben Variable (Nb, Y, Zr, Sc, Cr, Zn, V) ließ sich eine 100%-ige Zuordnung der Proben zu den drei Gruppen und eine deutliche Trennung erreichen (Abb. 29). Als Gütemaße der durchgeführten MDA gelten die kanonischen Korrelationskoeffizienten (Funktion 1 = 0,93, Funktion 2 = 0,92) sowie hohe Chi-Quadrat- und niedrige Wilks' Lambda-Werte (Tab. 7). Sie zeigen, daß zwischen den Diskriminanzfuktionswerten und den Gruppen enge Beziehungen bestehen bzw. eine gute Trennung zwischen den Gruppen existiert (BROSIUS 1989b).

F
Eigenwert
% der Varianz
Kum. %
Kanon. Korr. Koeffizient
F
Wilks' Lamda
Chi-Quadrat
DF
Signif.
1*
7,4923
57,43
57,43
0,9393
0
0,0180
104
14
0,000
2*
5,5526
42,57
100,00
0,9205
1
0,1526
48,876
6
0,000

Tab. 7: Gütemaße der kanonischen Diskriminanz Funktionen (Direkt-Methode) für 32 Testproben.

 

Für insgesamt 129 Proben wurden die Gehalte in die beiden Funktionen aus der MDA für die Testproben eingesetzt und gegeneinander aufgetragen. Wie in der Abb. 30 ersichtlich ist, lassen sich drei Gesteinsgruppen gut gegeneinander abgrenzen.

Mit den gleichen Variablen wurde die MDA nach der "Direkt"-Methode durchgeführt, um die Wahrscheinlichkeiten der Gruppenzugehörigkeit zu berechnen. Das Ergebnis (Tab. 8) zeigt, daß lediglich 7 Proben neu klassifiziert wurden, was einer Erfolgsquote von 94,57% entspricht. Vergleichende Berechnungen nach den "stepwise"-Methoden, wie z.B. der Wilks-Methode, führten zum gleichen Ergebnis.

Abb. 29: Streudiagramm der Diskriminanzwerte für 32 Testproben.

Abb. 30: Streudiagramm der Diskriminanzwerte für 129 Saprolith- und Lateritproben aus
dem Tawiga-Gebiet.

 

   
Vorhergesagte Gruppenzugehörigkeit
Aktuelle Gruppe
Probenanzahl
1
2
3
Gruppe 1
Metabasalte
82
78
95,1%
1
1,2%
3
3,7%
Gruppe 2
Metapelite
31
2
6,5%
29
93,5%
0
0,0%
Gruppe 3
Granitoide
16
1
6,3%
0
0,0%
15
93,8%
  Prozent der richtig klassifizierten gruppierten Fälle: 94,57%

Tab. 8: Berechnete Gruppenzugehörigkeiten von 129 Lateritproben.

 

Die errechneten Gruppenzugehörigkeiten der 129 Proben wurden für die ent-sprechenden Lokalitäten in eine Karte übertragen (Punkte, Kreuze, Sternchen) (Abb. 31).

 

Abb. 31: Abgedeckte geologische Karte des Grundgebirges im Gebiet des Jebel Tawiga.

Die im Gebiet tatsächlich aufgeschlossenen Ausgangsgesteine sind in der Darstellung durch Buchstaben (B, P, G, etc.) gekennzeichnet. Das Ergebnis zeigt, daß die Zuordnung der Proben mit den aufgeschlossenen Ausgangsgesteinen korrespondieren und ein sinnvolles geologisches Bild ergeben, in dem u.a. die NE-SW-Erstreckung der Gesteinstypen mit dem generellen Streichen der Faltenzüge übereinstimmt. Die Ost-West-Begrenzung der Metabasalte im Kartenbild ist hypothetisch. Die zwei gibbsithaltigen Proben sind an Metapelite und Granitoide gebunden, während Böhmit allen drei Gesteinstypen zuzuordnen ist.